„In Gudensberg sehen wir wie durch ein Brennglas die globale Problematik der Antibiotikaresistenz.“
Vor drei Jahren ergriff unsere BI mit Unterstützung der AGA Nordhessen die Initiative. Der Geflügelschlachthof Plukon leitet bekanntlich (noch immer) seine geklärten Abwässer direkt in den Goldbach, ein Rinnsal, das im Sommer meist völlig trocken ist. Das bedeutet: Der Goldbach wird mitunter ausschließlich aus diesen Abwässern gespeist.

(Foto Warlich)
Zunächst wurden an verschiedenen Stellen Wasserproben entnommen und ein Labor mit der Untersuchung auf Keimbelastung beauftragt − auf Kosten der BI wohlgemerkt. Alle möglichen zuständigen Behörden schienen seinerzeit nicht sonderlich interessiert an kritischen Ergebnissen, die über die üblichen gesetzlichen Regeln hinaus Gefährdungen für die Bevölkerung hätten aufdecken können. Auf Einladung des Konzern durften wir schließlich auch an der Kläranlage selbst beproben. Ergebnis: Antibiotikaresistente Keine nicht nachweisbar. Die HNA brachte die Meldung auf Seite 1, wir wurden leider lückenhaft zitiert und die Sache schien erledigt.
Doch dank dem Agrarexperten Martin Häusling, der für die Grünen im EU Parlament sitzt und in Oberurff (Bad Zwesten) einen Hof mit biologischer Landwirtschaft betreibt, gab es jüngst eine neue Untersuchung. Diesmal von dem renommierten Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das mit neusten molekularbiologischen Methoden arbeitete, die viel genauer sind als herkömmliche Kultivierungsmethoden. Das KIT untersuchte und analysierte gezielt Antibiotikaresistenzgene und antibiotikaresistene Bakterien.
In der Pressemitteilung von Häusling wird deutlich gemacht, dass diese Bakterien als „lebend und kultivierbar nachgewiesen“ wurden, also „Vermehrungspotential im Falle einer Kontamination von Mensch und Tier“ haben. Außerdem wurden ESBL-produzierende Enterobacteriaceae nachgewiesen. In einer Pressemitteilung von Martin Häusling werden die Ergebnisse detailliert beschrieben. Wörtlich heißt es darin:
„Die Analyse ergab im Detail:
- Antibiotikaresistente Bakterien wurden als lebend und kultivierbar nachgewiesen, d.h. sie haben Vermehrungspotential im Falle einer Kontamination von Mensch und Tier.
- Nachweis ESBL-produzierender Enterobacteriaceae
Diese Bakterien stellen Enzyme der Klasse der„Extended Spectrum Beta-Lactamases“ (ESBL) her. Laktamasen sind für die Resistenz gegen Antibiotika aus der Gruppe der Beta-Laktame (wie Penicilline und Cephalosporine) verantwortlich. Diese ESBL-produzierenden Bakterien wurden in Konzentrationen detektiert, die auf eine nicht ausreichende Reinigungsleistung im Hinblick auf bei fakultativ pathogenen Bakterien in der Kläranlage des Schlachtbetriebs hinweisen.
- Enterokokken und E. coli waren besonders häufig vertreten – typische Indikatoren für fäkale Verunreinigung, können bei Menschen u.a. Durchfälle auslösen.
- Nachweise von Resistenzen gegen klinisch eingesetzte Antibiotika auch gegen Reserveantibiotika wurden bereits in Wässern des Reinigungsprozesses nachgewiesen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich diese Resistenzgene über den Auslauf der Kläranlage in den Vorfluter verbreiten.
- Wie neben dem mecAMethicillin Resistenzgen wurden auch Resistenzgene gegen weitere Reserveantibiotika bereits in den Abwässern des Betriebs identifiziert wie z.B. das Colistin-Resistenzgen mcr-1 und Vancomycin Resistenzgen vanA.
- Manche Resistenzgene sind auf mobilen genetischen Elementen wie Plasmiden vorhanden und tragen zur Verbreitung von Resistenzen gegen Antibiotika bei.
Das Abwasser ist ein Eintragspfad in die Umwelt mit dem Risiko, dass sie Antibiotika-Resistenzgene sich dort vermehren und langfristig etablieren. Daher bleibt es bei der Aussage: Der Goldbach bleibt kontaminiert und die Stadt Gudensberg muss darauf reagieren.
Eine Abwasserleitung in die Eder wird das Problem mit den antibiotikaresistenten Bakterien nicht lösen, sondern nur einen Verdünnungseffekt haben.“
Häuslings Fazit:
„In Gudensberg sehen wir wie durch ein Brennglas die globale Problematik der Antibiotikaresistenz.“
Natürlich ist die Ursache die Massentierhaltung von Masthähnchen, in der über 90 % der Tiere Antibiotika erhalten. Zwei interessante Beiträge auf externen Webseiten veranschaulichen das deutlich:
Dieser Beitrag vom Bayerischen Rundfunk erschien vor fast 10 Jahren und ist auch angesichts des erneuten Schlaglichts auf Plukon aktueller denn ja. Besonders am Ende wird nochmal gut verständlich erklärt, wie der Teufelskreis mit den Antibiotika in der Tierhaltung funktioniert. Unbedingt lesenswert für alle, die sich bewusst ernähren und mitdiskutieren wollen.
Viel ausführlicher behandelt ein Beitrag der Albert-Schweitzer Stiftung das Thema Antibiotika in der Massentierhaltung. Sehr fundiert und lesenswert!